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5. Sonntag nach Trinitatis: 1. Kor 1, 18-25
5. Sonntag nach Trinitatis: 1. Kor 1, 18-25
# Archiv Predigten 2016
5. Sonntag nach Trinitatis: 1. Kor 1, 18-25
Der heutige Predigttext steht im 1. Korintherbrief im 1. Kp. in den Vv.18-25
Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): "Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen." Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind.
Liebe Gemeinde,
das Wort vom Kreuz, was sagt Ihnen das? Persönlich, meine ich. Denn mit dem Kreuz und seiner Bedeutung steht und fällt ja alles im Christentum. Ohne das Kreuz ist es nicht denkbar. Mit ihm ist und bleibt es eine Anfechtung für die meisten Menschen. Nicht wenige, die es absurd finden, dass wir in unseren Kirchen Folterinstrumente ausstellen und den Korpus des Gekreuzigten, das Opfer, gleich mit. Nicht wenige, die die Vorstellung gelinde gesagt für lächerlich halten, dass dieser Wanderprediger Jesus von Nazareth als Sohn Gottes am Kreuz gestorben sein soll, "für uns". Nicht wenige, die es furchtbar finden, an der blutigen Geschichte vom Kreuz Heil, Erlösung, Gnade festmachen zu wollen, Gottes Liebe herauszulesen aus diesem furchtbaren Tod. Der ja, schlimm genug, kein Einzelfall war, sondern eine gängige römische Art der Todesstrafe.
Lesen Sie die meisten Passionsliedertexte und sie werden feststellen, wie das geht. Da wird die sogenannte Sühneopfertheologie rauf und runter gesungen. Furchtbar, wenn sie mich fragen. Für unsere Sünden sei er am Stamm des Kreuzes hingemordet worden. Wir hätten ihn im Grunde auf dem Gewissen. Durch unsere Sünde, durch unser Fehlen, unsere Falschheit hätten wir seinen Tod verschuldet. Denn an unserer Statt trägt er unschuldig die Strafe Gottes, die eigentlich uns gelten würde. Abstrus finde ich diese Vorstellung und das Gottesbild, das ihm innewohnt. Dass er ans Kreuz geschlagen wurde, das war die logische, die furchtbar logische Konsequenz seines Lebens, seiner Lehre, seiner Taten.
Wer so wie er gelebt und gelehrt hat, wer so wie er umgegangen ist mit den Menschen seiner Zeit, der musste früher oder später mit massiven Konflikten mit dem Establishment rechnen. Wer so wie er dafür geworben hat mit Herz und Hand, aus der Gesellschaft herausgefallenen Menschen wieder einen Platz zu geben, wieder hereinzuholen in die Gemeinschaft, an seiner Seite und in der Gemeinschaft derer, die mit ihm unterwegs waren zu geben, der konnte dies nicht ungeschoren tun. Und ich glaube, er wusste das und wollte es trotzdem. Er wusste, dass er in Konflikt geraten würde als er mal eben so das Gesetz aus sich selbst heraus neu definierte, im Tiefsten erfüllte als er es brach: "der Sabbat ist um des Menschen willen da und nicht der Mensch um des Sabbats willen." Skandal. "Zachäus, ich will zu Gast bei dir sein!" Skandal. Setzt sich mit einem Zöllner an den Tisch, kennt keine Berührungsängste mit Prostituierten und anderen Sündern. "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!" Stellt sich vor eine Ehebrecherin. Skandal.
Spricht Menschen in eigener Vollmacht frei, vergibt Sünden. Skandal. Wo kommen wir denn da hin!
Er hat gewusst, dass er polarisierte. Er hat gewusst, dass er sich über herrschende Gesetze und Konventionen hinwegsetzte. Und hat es dennoch getan. Um der Menschen willen. Um der Liebe willen. Um seines Vaters im Himmel willen. Dafür hat er gelebt. Und dafür war er bereit zu sterben. Das ist das Wort vom Kreuz. Dass nur von Ostern her überhaupt verstanden werden kann als eine Kraft. Dadurch, dass Gott ihn auferweckt hat, sich mit ihm und allem, was er gesagt und getan hat, identifiziert, ihn quasi ins Recht gesetzt hat: Ja, ihn sollt ihr hören, dieser ist mein Sohn. Euer Urteil über ihn hebe ich auf. Wo ihr den Tod gebracht habt, mache ich lebendig. Meine Kraft wohnt in ihm und meine Liebe.
Damit bekommt das Wort vom Kreuz seine Kraft, von Gott her, von Ostern her. Erst von daher wird aus der Torheit Weisheit und aus der Ohnmacht Kraft. Aus dem Gescheiterten ein Gerechtfertigter, aus dem Verlierer ein Sieger.
Paulus predigt sein Evangelium, sein Wort vom Kreuz, obwohl er um all die Vorbehalte weiß, die ihm begegnen werden. Um all die Anfeindungen und Skandale, die dieses Kreuz auslöst. Er weiß, dass es den Juden ein Ärgernis ist, natürlich. Er selbst hätte es noch vor kurzem genau so gesehen. Zu behaupten, dieser Jesus sei der Sohn Gottes, muss für einen gläubigen Juden an sich schon Gotteslästerei sein. Dass dieser Gekreuzigte aber der Sohn Gottes sein soll, ist noch eine Drehung mehr. Der am Stamm des Holzes hängt, ist ein skandalon, ein von Gott Verfluchter. Was Paulus hier früh in den jüdischen Synagogen seiner Zeit und schließlich auch darüber hinaus predigt, muss für Anstoss sorgen, zu Aufruhr führen. Das geht gar nicht anders. Er wusste das. Und er hat nicht wenige Widersacher gehabt.
Aber auch für die Griechen muss es aberwitzig gewesen sein, was er erzählt hat und auch das wusste er. Für die Gebildeten unter ihnen, die nach Weisheit suchten ist es eine Torheit, dummes Zeug also. Was soll das bitte für ein Gott sein, der so schwächlich am Kreuz stirbt, dessen ganze Mission doch ganz offensichtlich gescheitert ist? Bitte!
Guckt ihn an, diesen Jesus von Nazareth. Der nicht in der Lage ist, sich dem Urteil und der Strafe der Menschen zu entziehen, der hingemordet wird wie ein gewöhnlicher Verbrecher. Das soll Gottes Sohn sein? Das können griechische und römische Götter nun wirklich besser. Solche Ausfälle wären mit denen nicht passiert. Wie soll man das einem logisch denkenden Menschen auch erzählen?
Paulus weiß das alles und predigt es den Griechen und den Juden dennoch. Weil es seine Wahrheit ist und eine Weisheit, die sich ihm spät und völlig überraschend offenbart hat. Weil er diese Kraft erfahren hat. Weil sie ihn verändert hat. Dabei hat Paulus Jesus ja gar nicht gekannt. Er gehörte nicht zum Jüngerkreis, er hatte keinen Kontakt zu ihm zu seinen Lebzeiten. Und predigt dennoch das Evangelium Jesu Christi, die befreiende Gnade Gottes, das Wort vom Kreuz. Er predigt, dass in diesem Jesus von Nazareth, der schmählich am Kreuz stirbt, die Kraft Gottes wohnt, in diesem unschuldig Verurteilten, der seine Passion auf sich nimmt und am Kreuz stirbt, das Leben Gottes spielt.
Dass in seinem Weg unser Weg Konturen gewinnt. Dass Gott sich in ihm so einzeichnet hat, dass wir es erkennen können. Das Wort vom Kreuz, es erzählt davon, wie Wandlung geschieht, was Transformation bedeutet. Darum ging es damals. Darum geht es heute, wenn es irgendetwas bedeutet. Das Wort vom Kreuz, das bespielt ja nicht diesen schrecklichen Tag damals vor über 2000 Jahren in Jerusalem, als sie Jesus von Nazareth am Kreuz getötet haben. Das Wort vom Kreuz bebildert vielmehr, wie Gottes Weg aussieht, mit dem Tod umzugehen, mit der Gewalt, mit dem Hass, mit dem Nichtverstehen, dem Leid, der Schuld.
"Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben", heißt es in Johannes 3,16. Wir hören diesen Vers meistens vor dem Hintergrund der Sühneopfertheologie. Als wäre in der Kreuzigung Jesu die Liebe Gottes zu spüren, als bräuchte Gott sie, als läge in seinem Blut Heil. Man darf das Wort vom Kreuz nicht so verengen auf Karfreitag. Als hätte dieser Foltertod in sich die Kraft zu erlösen. Seinem ganzen Leben wohnt diese versöhnende und erlösende Kraft inne, die von Gott ausgeht: also hat Gott diese Welt geliebt, dass er seinen Sohn in diese Welt gesandt hat, damit wir es endlich kapieren wie Gott ist: liebevoll, barmherzig, zurechtbringend, gnädig. Jesu ganzes Leben hat das offenbart. Das Kreuz war "nur" die logische Konsequenz dieses Lebens und dieser Lehre, das Ende vom Lied, was uns Menschen betrifft. Wir als Menschen haben das Urteil über ihn gesprochen. Und Gott hat es aufgehoben an Ostern.
Jesus wehrt sich nicht, nimmt sein Recht nicht in die eigenen Hände, schlägt nicht zurück, wird nicht selbst Teil des Teufelskreises von Hass und Gewalt, wird nicht selbst Teil der Maschinerie des Todes. Er geht einen anderen Weg. Den, den Gott ihm gezeigt hat. Und damit wird er uns zum Wegbereiter. Einen , der in den Augen dieser Welt dumm ist und naiv, schwächlich und bemitleidenswert – er lässt sich kreuzigen, er nimmt es. Und nimmt damit am Ende seines Weges nichts zurück von dem, was er gepredigt, gelebt, getan hat. So wie er Zeit seines Lebens eingestanden ist für die Liebe und die Vergebung Gottes, so tut es noch am Kreuz: "Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun", sagt er als sie ihn hinrichten. Der da am Kreuz hängt, bürgt mit seinem Leben für die Liebe seines Vaters im Himmel (und darin wirklich für uns). Er bürgt dafür, dass diese provozierende, zuweilen ärgerliche, nach menschlichen Maßstäben zutiefst ungerechte Botschaft stimmt: dass Gottes Güte bedingungslos ist und jedem Menschen zugesagt. Dass unser Heimweg zu Gott offen ist, immer. Dass er seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse, ohne jede Unterscheidung. Dass er wartet wie der Vater des verlorenen Sohnes auf jeden, der umkehrt und heimkommen will. Wie ärgerlich für alle selbstgemachte Moral, für alles eigenen sich auf die Schultern Klopfen: "Ich hab's doch verdient!".
Wie dumm in den Augen derer, die sich so etwas nicht bieten lassen würden.
Das Wort vom Kreuz weiß, dass Gewalt keine Lösung ist. Weil sie nur neue Gewalt ins Leben ruft. Menschen, die sich rächen wollen, verhalten sich paradoxerweise oft genau so wie die, denen sie es heimzahlen wollen, unter denen sie gelitten haben, werden nicht selten unter Hand genau wie sie. Sie bringen nur neuen Brennstoff in das alte Feuer. Das Wort vom Kreuz weiß, dass Frieden nur beginnen kann, wenn ich ihn selbst beginne, wenn ich aussteige und diesen Ausstieg durchhalte, auch wenn das dumm aussieht und schwach. Das Wort vom Kreuz weiß, dass Hass nicht durch neuen Hass und neue Gewalt besiegt werden kann, dass Angst nicht weicht durch Aufrüstung, dass Ungerechtigkeit durch eigenes Unrecht nicht wettgemacht werden kann.
Die Spirale der Gewalt muss durchbrochen werden, ein für alle mal. Einer muss aussteigen aus dem Kreislauf der Angst und der Gewalt und des Hasses, wenn es anders werden muss. Auch wenn das ohnmächtig aussieht, es ist voller Kraft. Auch wenn es töricht erscheint, es wohnt ihm eine Weisheit inne, die ihresgleichen sucht. Weil sie die Kraft zur Wandlung hat, die Kraft Gottes.
Jesus hat nicht zurückgeschlagen, als sie ihn schlugen. Er hat nicht auf seinem Recht bestanden, als sie ihn richteten. Er hat –obwohl er unschuldig war- das Urteil hingenommen. Um den Kreislauf der Gewalt zu unterbrechen. Um der selbstgerechten Moral in die Speichen zu greifen. Um zu zeigen: Friede wird durch Frieden, durch Geduld, durch die Fähigkeit zurückzutreten und durch innere Freiheit, nicht durch Gewalt. Friede wird durch Liebe. Dadurch, dass ich weiß, wer mich hält und wohin ich gehöre. Dadurch, dass ich von mir absehen kann und Frieden machen, selbst mit dem, der es nicht gut meint.
Das hat ihn den Tod gekostet.
Das heißt nicht, in meinen Augen jedenfalls nicht, dass Gott diesen Tod am Kreuz brauchte. Dass er keine andere Möglichkeit hatte, sich uns barmherzig zuzuwenden, uns –so wie wir sind- mit unserem Dunkel, mit unserer Schuld, mit unserem Fehlen zu vergeben. Lesen Sie die hebräische Bibel, dann finden Sie auch dort den Gott, den Jesus verkündigt hat, schon vor dem Kreuz von Golgatha.
Das Wort vom Kreuz gehört vielmehr mitten hinein in ein großes Geheimnis, das wir aufbewahren im Schatz unserer christlichen Kirchen. Es gehört hinein in die Alchemie des Lebens, in die Gewinnung von Gold, in die Verwandlung von Leiden, Gewalt und Tod. Darin liegt seine Kraft und seine Weisheit. Und seine Liebe. Amen.
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