13. Sonntag nach Trinitatis: 1 Mose 4,1-16a

13. Sonntag nach Trinitatis: 1 Mose 4,1-16a

13. Sonntag nach Trinitatis: 1 Mose 4,1-16a

# Archiv Predigten 2018

13. Sonntag nach Trinitatis: 1 Mose 4,1-16a

Liebe Gemeinde,

in der Urgeschichte der Bibel, in den Geschichten von der Erschaffung der Welt, von Adam und Eva, Kain und Abel, Noah und der Sintflut, dem Turmbau zu Babel kann alle Menschheit sich erkennen, kann sich erkennen als die Schwäche oder Stärke Gottes, kann Gott erkennen als die Schwäche der Starken und die Stärke der Schwachen.

Mit der Geschichte von Kain und Abel fällt erstmals in der Urgeschichte das Wort von der Sünde; es fällt erst nach dem sogenannten Sündenfall.

Hören wir von Gott und dem Menschen:

Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des HERRN. Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.

Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.

Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.

Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.

Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.

Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet.

Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, der soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände. So ging Kain hinweg von dem Angesicht des HERRN und wohnte im Lande Nod, jenseits von Eden, gegen Osten.

"Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Selbstmord treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staate verboten." Berthold Brecht beschreibt, liebe Gemeinde, das Land Nod, und mir scheint, dieses Land gibt es immer noch und seit jeher. Ein Ur-Land der Menschen, in dem wir heute noch leben.

Jenseits von Eden, noch weiter weg vom Paradies als Adam und Eva nach ihrer Vertreibung, lebt der Mensch mit dem Kainsmal. Er lebt in diesem Lande Nod, dem Land "Ruhelos", "Unrast" und "Unstet" – so hieße es auf Deutsch. Dorthin hat er sich begeben - weg vom Angesicht Gottes. Geweigert hat er sich, Hirte des Hirten Abel zu sein, so hält er es frech und trotzig Gott entgegen in seiner Schuld, denn Schuld macht frech und trotzig und will ablenken von sich selbst, will Verantwortung abschieben.

Getötet hat er, der Mensch mit dem Kainsmal, denn da gab es den anderen, Abel, den Windhauch, und den konnte er nicht mehr neben sich haben. Dem Windhauch ging es gut; Segen lag auf seinem Leben, Gott stand wohl auf seiner Seite, Windhauch hatte Gnade gefunden.

Ihm selbst gegenüber aber ist dieser Gott kalt und abweisend. So scheint es ihm. Hart ist die Arbeit, das Feld gibt nichts her. Ungerecht ist es, so leben zu müssen und keiner ist da, der ihm erklärt, warum das so ist. Womit hat der andere verdient, was Kain verweigert wird? Woher und warum die Bevorzugung des einen und die eigene Benachteiligung? Blickt er auf den da, vergleicht er, wie der sein Leben führt, dann wird es bitter in ihm.

Natürlich hört er die Stimme, natürlich weiß er um das Gute, weiß er, was ihm frommt und was nicht. Und genau sieht er, wie da lauert, was ihn mehr und mehr trennen wird von seinem Bruder und von Gott, was beide so fremd und belanglos werden lässt. Sünde ist der Sund, der ihn mehr und mehr trennt von Gott und seinem Bruder. Schon sieht er beide schwinden aus dem Horizont seiner Zuneigung, sieht ihre Bedeutung schwinden, die sie für ihn haben. Und kaum noch zügeln lässt sich das Verlangen, einmal loszuschlagen und es dem da einmal richtig zu zeigen. Wie sonst sollte er vor sich selbst dastehen, wenn er selbst vor diesem Verlangen versagt?

"Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie."

Noch ist Kain Herr der Lage, aber es kann nicht mehr lange dauern. Er will das Gute nicht mehr, denn es hat ihm doch nichts gebracht, gut und im Sinne Gottes zu leben. Es scheint doch nur etwas zu sein für die, die wohlgefällig lächelnd auf ihr Opfer sehen können, die von sich wissen, dass Gott auf ihrer Seite ist, weil sie alles richtig gemacht haben, weil sie Segen vorzeigen können – mein Haus, meine Karriere, mein Auto, meine Klamotten. Natürlich tun sie Gutes, aber es wirkt ihr mildtätiges Lächeln arrogant und der Mensch mit dem Kainsmal kommt sich so "behandelt" vor. Windhauch muss doch endlich einmal spüren, dass er wirklich nur Windhauch ist, und mit ihm auch seine fetten Tiere als Zeichen des Segens, der auf ihm liegt.

So liefert Kain sich aus, und die Sünde tritt durch seine Tür. Fremd wird ihm sein Bruder, fremd wird er sich selbst. "Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot."

Die Bibel stellt mir Kain und Abel vor Augen; und ich kann erschrecken darüber, wie wenig Beachtung das Opfer erfährt und was für ein Gewese um den Täter gemacht wird – man könnte direkt Schlagzeilen daraus machen.

Aber es geht mit Kain um den Menschen, der versucht ist, in seinem Zorn, in seiner Enttäuschung, seinem Neid und seiner Kränkung von dem Guten, um das er weiß, abzusehen. Und dann auch seinen Blick senkt, seinen Bruder nicht mehr sieht, ihn nimmt und ihn zum Opfer der eigenen Blindheit macht.

Die Bibel entlässt diesen Menschen Kain nicht aus seiner Verantwortung, aber sie überlässt ihn auch nicht sich selbst.

Denn nun greift Gott ein und setzt ein Zeichen zugunsten des Menschen in Schuld. Er geht Kain nach, fragt ihn nach seiner Verantwortung für ihm an die Seite gestelltes Leben, lässt sich nicht beirren von Kains Kaltschnäuzigkeit. Er brandmarkt das Blutvergießen als ein Fluch, der auf Kain liegt. Und dieser Fluch liegt mit Kain auf dem Lande Nod, jenseits von Eden. Aber auch dem so Verfluchten kommt Gott nahe und zeichnet ihm ein Zeichen, ein Schutzzeichen.

Es bleibt unerklärt in der Bibel, was das für ein Zeichen ist. Ich möchte es heute verstehen wie einen Spiegel. Fortan soll ein Mensch sich selbst in Kain erkennen, soll erkennen, wie er weiterdrehen kann am Rad der Gewalt, und Rache sich siebenfältig austoben wird, oder wie er der Sünde vor der Tür und der mit ihr eintreten wollenden Gewalt Einhalt gebieten kann.

Denn weil Kain ein Zeichen Gottes an sich trägt, wird ihm unauslöschlich in Erinnerung bleiben, wohin er gehört. Schon mit dem Kainsmal zieht die Liebe Gottes ein in das Land Nod, und der unstete, ruhelose und flüchtige Mensch trägt die Sehnsucht nach dem Land Eden in sich, wo er wieder bei Gott ist, wo er seine Heimat hat. So hat Gott Kain nicht aufgegeben, und der Mensch mit dem Kainsmal wird nicht lassen können von der Idee, die Gott mit seinen Menschen hat: diese ewige Idee der Liebe, die den Lauf der Dinge aufhalten und selbst auf der Schuld ein Leben aufbauen kann.

"Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen." (1 Joh 4, 11.12). Amen.

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed