02/07/2024 0 Kommentare
Gründonnerstag Fastenpredigtreihe
Gründonnerstag Fastenpredigtreihe
# Archiv Predigten 2017
Gründonnerstag Fastenpredigtreihe
Predigt über Friedrich den Weisen
Liebe Gemeinde,
Ich möchte Ihnen etwas von Luthers Landesherrn Friedrich dem Weisen erzählen.
Friedrich wurde 1463 als ältester Sohn des Kurfürsten Ernst von Sachsen geboren. Er war damit 20 Jahre älter als Martin Luther.
1486 starb der Vater und Friedrich wurde mit 23 Jahren Kurfürst von Sachsen. Kurfürst - wir erinnern uns: es gab seit dem Mittelalter sechs, später bis zu zehn Kurfürsten, die den deutschen König wählten.
Sachsen war das so genannte ernestische Sachsen. Die größeren Städte waren Wittenberg und Torgau, nicht Dresden und Leipzig, die zum albertinischen Sachsen gehörten, das sein Vetter regierte.
Friedrich gehörten Erz- und Silbergruben, die ihn finanziell unabhängig machten und es ihm ermöglichten, sein Land zu einem der modernsten und leistungsfähigsten des Reiches aufzubauen.
Dazu gehörte, dass er Wittenberg zu seiner Residenz wählte, ausbaute und dort auch 1502 eine Universität gründete. Lucas Cranach d.Ä. kam 1504 immerhin von Wien nach Wittenberg, eine Kleinstadt mit knapp 3000 Einwohnern. Er wurde dort Friedrichs Hofmaler.
Friedrich kümmerte sich nicht nur um sein eigenes Land, sondern spielte auch im Reich durchaus eine größere Rolle. Er hatte ein gutes Verhältnis zu Kaiser Maximilian und, als dieser 1519 starb, gehörte Friedrich immerhin zu den drei Nachfolgekandidaten neben Franz I von Frankreich und Karl I von Spanien. Er lehnte aber selbst seine Kandidatur ab und unterstützte Karl I von Spanien, der dann als Karl V gewählt wurde.
Friedrich hielt wie viele andere Reichsstände die Papstkirche zwar für reformbedürftig, war aber selbst persönlich verwurzelt im spätmittelalterlichen Katholizismus mit Leistungsfrömmigkeit und Reliquienkult. Er besaß eine der größten Sammlungen von Reliquien, 19.000 Stück, u.a. eine Knabenleiche vom Kindermord zu Bethlehem und Stroh aus dem Stall zu Bethlehem. Die Sammlung repräsentierte eine Ablasszeit von 2 Millionen Jahren Fegefeuer.
1493 unternahm Friedrich eine Wallfahrt ins Heilige Land und wurde in Jerusalem zum Ritter des Ordens vom Heiligen Grab geschlagen.
Von daher gab es theologisch für Friedrich keine Verbindung zu Luthers Ideen. Aber Luther war ein Theologieprofessor an seiner Universität in Wittenberg. Damit stand er unter seinem besonderen persönlichen Schutz.
Als Luther seine 95 Thesen veröffentlichte, gab es Übereinstimmung mit Friedrich, wo diese sich gegen den Ablass richteten. Denn er hatte den Ablassagenten den Zugang zu seinen Ländern untersagt, weil er die Gelder lieber im eigenen Land behalten wollte. Aber ansonsten wird Friedrich von seinen eigenen religiösen Vorstellungen her eher zurückhaltend gewesen sein.
Als Luther dann in der Folgezeit seine Vorstellungen weiterentwickelte und es zum Bruch mit dem Papst kam, hielt Friedrich gleichwohl zu ihm. Er akzeptierte den prophetischen Anspruch Luthers und die damit legitimierte Eigenwilligkeit seines "Dr. Martinus" und richtete die sächsische Politik daran aus.
Das war nicht leicht, denn in der Wahrheitsfrage gab es für Luther keine Kompromisse. Luther scheute sich auch nicht, seinem Fürst heftig zu widersprechen und die Fürsten allgemein zu kritisieren. In seinem Traktat "Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei" schreibt er:
"Ein kluger Fürst ist ein seltener Vogel, noch seltener ein frommer Fürst. Sie sind im Allgemeinen die größten Narren und die ärgsten Buben auf Erden".
Über den Reliquienkult machte er sich lustig. Das alles veranlasste Friedrich jedoch nicht dazu, Luther fallen zu lassen.
Einen unmittelbaren persönlichen Kontakt hat es zwischen Friedrich und Luther nie gegeben. Friedrich hat Luther nie empfangen und ihn überhaupt nur bei seinen Auftritten auf dem Reichstag gesehen.
Dennoch war er bestens über ihn informiert, und zwar über seinen Privatsekretär und engsten persönlichen Vertrauten Georg Spalatin. Dieser war Luther sehr verbunden. Beide haben Hunderte von Briefen gewechselt. So konnte er dem Landesherrn Luthers Vorstellungen authentisch vermitteln. Spalatin entwickelte auch für Friedrich das Prinzip, dass in Glaubensdingen ungehinderte Wissenschaftlichkeit herrschen sollte.
Es ist bemerkenswert, wie Friedrich dann im Reich und gegenüber dem Vatikan für seinen Professor eintrat. Er forderte, man möge Luther Gerechtigkeit widerfahren lassen: Bislang habe Luther seine Thesen nicht vor angesehenen, frommen, unvoreingenommenen Richtern vertreten können und sei von solchen auch nicht widerlegt worden.
Als Luther 1520 vom Papst als Ketzer verurteilt und unter Androhung der Exkommunikation aufgefordert wurde, zu widerrufen, wurde diese Entscheidung von Friedrich nicht anerkannt, obwohl er kurz zuvor von Papst Leo X die "Goldene Rose", die höchste Auszeichnung des Papstes für Verdienste um die katholische Kirche, erhalten hatte.
In den Vorbereitungungen des Reichstags zu Worms vertrat Friedrich den Standpunkt, dass es bei der Umsetzung des päpstlichen Banns in die Reichsacht um das Recht des Reiches und um die Freiheiten der deutschen Stände ginge. Dies führte dazu, dass Luther vom Reichstag angehört werden musste, bevor Karl V. die Reichsacht gegen ihn verhängen konnte.
Er nutzte seinen Einfluss beim Kaiser, dass Luther freies Geleit erhielt, und verabredete mit ihm darüber hinaus, dass bei einer etwaigen Verhängung der Reichsacht das entsprechende Edikt ihm nicht zugestellt würde, damit er nicht an dieses gebunden war.
So konnte er Luther auf dessen Heimreise von Worms nach Wittenberg im Thüringer Wald bei der Burg Altenstein von bewaffneten Reitern gewissermaßen in Schutzhaft nehmen und auf die Wartburg bringen lassen.
Friedrich wurde der Weise genannt. Dafür war aber wahrscheinlich nicht in erster Linie seine Haltung gegenüber Luther gemeint, sondern mehr, dass er sein Land Zeit seines Lebens aus allen kriegerischen Auseinandersetzungen herausgehalten hat. Insbesondere auch die Beteiligung an den Kriegen gegen die armen Leute, den sogenannten Bauernkriegen, lehnte er ab. Er meinte, dass deren Forderungen weitgehend berechtigt seien.
Frierich der Weise starb nach längerer Krankheit am 5. Mai 1525.
Was kann uns die Person heute noch sagen?
Es scheint mir sicher, dass ohne ihn die Reformation anders verlaufen wäre, wenn sie sich denn überhaupt so hätte entfalten können, wie es geschehen ist.
Revolutionäre Entwicklungen brauchen nicht nur Menschen, die Ideen haben, sie in Worte fassen und nach außen offensiv vertreten können, sondern sie haben nur dann die Chance der Realisierung, wenn es auch Menschen gibt, die einen kühlen Kopf bewahren, mehrere Schritte weiter denken können und die die Regeln kennen, nach denen man aus Ideen Realitäten formen kann. Zu solchen ist Friedrich zu zählen.
Er ist vor allem Beispiel für eine Toleranz, wie wir sie gerade heute in Fragen der Religion einfordern. Denn obwohl er selbst seinen eigenen Glauben ganz anders verstand als Luther, hat er diesen unterstützt und ihm auch jede Freiheit gelassen, ihn zu predigen. Diese Haltung müssen wir heute auch zu anderen Religionen hin entwickeln.
Ich meine, dass Friedrichs Verhalten für das Verhältnis Luthers zur weltlichen Obrigkeit von Bedeutung gewesen sein könnte. Denn Friedrich hat sich als Fürst weitgehend so verhalten, wie Luther es in der zitierten Schrift "Von weltlicher Obrigkeit..." beschrieben hat.
Er hat in dieser Schrift seine Lehre von den zwei Reichen dargelegt, von dem Reich Gottes auf der einen Seite, welches das Geistige, die Seele und das Gewissen und die Glaubensvorstellungen umfasst und wo allein Gottes Wort gilt, und dem Reich der weltlichen Obrigkeit auf der anderen Seite, welche nach weltlichen Gesetzen herrscht über Geld, Gut, Leib und Ehre. Die Welt ist von Gott so eingerichtet, dass eine Gesellschaft immer eine Ordnungsmacht braucht, und also ist auch die Obrigkeit von Gott.
Das wirkt auf uns heute befremdlich. Dass unsere Obrigkeit von Gott sei, haben wir anders gelernt. Wir wissen, dass es schlechte, ja: verbrecherische Obrigkeiten gibt. Dennoch ist es gut, bisweilen zu bedenken, dass Obrigkeiten nicht von vornherein schlecht sind und dass es – Gott sei Dank - auch gute Regierungen gibt.
Im Übrigen: auch Luther kannte schlechte Obrigkeiten und hat deshalb in der erwähnten Schrift gesagt:
- "Wenn dein weltlicher Herr dir gebietet, so oder so zu glauben, dann sollst du sagen: Lieber Herr, ich bin euch schuldig zu gehorchen mit Leib und Gut. Befehlt ihr mir aber zu glauben, so will ich nicht gehorchen. Denn da gebietet ihr, wo ihr weder Recht noch Macht habt. Wenn du ihm nicht widersprichst, so hast du wahrlich Gott verleugnet.
- Wenn denn ein Fürst Unrecht hätte, muss ihm sein Volk folgen? Nein, denn gegen das Recht gebührt niemanden zu tun. Denn man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen."
Dies hätte wohl auch Friedrich akzeptiert.
Und was ist nun mit Gründonnerstag?
Auf seinem Sterbebett hat Friedrich das Abendmahl nach lutherischen Ritus genommen. Er würde daher wohl auch mit uns das Abendmahl feiern und, da er gerne aß und trank, vielleicht nicht ganz so rituell und etwas freudvoller.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre Eure Herzen in Christo Jesu.
Amen.
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