3. Sonntag nach Epiphanias: Matt 5, 4-11

3. Sonntag nach Epiphanias: Matt 5, 4-11

3. Sonntag nach Epiphanias: Matt 5, 4-11

# Archiv Predigten 2017

3. Sonntag nach Epiphanias: Matt 5, 4-11

Liebe Gemeinde,

Die Seligpreisungen sind so etwas wie der Personalausweis eines jeden Christen und einer jeden Christin. Das sagte vor kurzem Papst Franziskus während einer Ansprache in Malmö. Nun bescheinigt uns ein Personalausweis unsere Identität. Eine Übereinstimmung mit uns. Jedenfalls hinsichtlich dessen, was wir über die formalen Angaben dieses Dokuments herauslesen können: Größe, Augenfarbe, Wohnort, Geburtsdatum usw.

Davon lesen wir in den Seligpreisungen erst einmal nichts. Die Liste der Identitätsmerkmale der Worte Jesu blickt auf anderes, schaut woanders hin. Nicht auf äußerliche, sachliche Kriterien, sondern auf ein Handeln, ein Tun und auf eine innere Haltung.

Ich hatte in der letzten Woche ein Gespräch mit einem Schüler aus der Oberstufe. Ich bin auch Schulpastor und Lehrer an der Bugenhagenschule in Blankenese. Dieser Schüler hatte eine "erzieherische Maßnahme" verordnet bekommen. Und Sie können sich vorstellen, so etwas bekommt man nicht grundlos. Er hatte also in nicht unerheblichen Maße gegen die Schulordnung verstoßen. Es folgte eine Konferenz, die dann beschloss, dass er in drei Mittagspausen dem Hausmeister für etwa eine halbe Stunde helfen soll.

Als er von dieser Entscheidung hörte, regte er sich mächtig auf. Er würde dies als Beschneidung seiner Freiheitsrechte ansehen. Außerdem sei er ja auch schon über 18 und da könne man ihm auch nicht mehr so einfach beliebige Vorschriften machen. Ich erklärte ihm also - was er natürlich weiß! - , dass dies in einer Schule durchaus möglich sei und er sich – wie alle anderen ja auch – an die Schulregeln zu halten habe. Er blockte weiterhin ab. Ich bat ihn dann, mir doch einmal diese Stimme in ihm, die so vehement gegen die Entscheidung der Schulkonferenz protestiert, zu beschreiben. Was ist das für eine Stimme. Kann man ihr eine Gestalt geben? Und ohne zu zögern schoss es aus ihm heraus: Cristiano Ronaldo. Sein großes Idol. Sie kennen ihn: Viermal Weltfußballer des Jahres, diverse andere Auszeichnungen, Europameister, Rekordtorschütze der portugiesischen Nationalmannschaft, erfolgreicher Geschäftsmann, Modelaussehen, Mulitimillionär… Sicher! Der würde ganz bestimmt nicht eine halbe Stunde seiner Mittagspause opfern und dem Hausmeister helfen. Und mit dieser inneren Haltung saß der Schüler vor mir: Cristiano und ich wollen das nicht! Hat er nicht so gesagt, aber genau das war spürbar.

Ich glaube niemand ist so ganz frei davon, was so manche Vorbilder oder Ideale tun oder denken würden. Die Frage, die dahinter steht, lautet ja: Wer bin ich? Was ist meine Identität? Was steht noch in meinem Personalausweis? Außer Augenfarbe, Größe, Geburtsort usw.?

Natürlich fragte ich den Schüler dann auch, wie er denn die andere Stimme in ihm beschreiben würde, die vielleicht zögert und überlegt, eventuell doch diesen "erzieherischen Dienst" anzutreten. Es muss doch auch ein Gegenüber von diesem inneren Cristiano Ronaldo geben? Er druckste rum und ich half ihm mit der Beschreibung, indem ich sagte: Das ist bestimmt so ein weichgespülter Typ, der alles versteht und immer für alles Verständnis hat, der seinen Fehler einsieht und natürlich so ein Strafarbeit erledigt. Ein uncooler Schwächling eben. Genauso! Stimmte er zu. Und ich ergänzte: Son Jesustyp eben. Ja, genau!

Ich habe diese Geschichte erzählt, weil sie auf eine Art schon auch zugespitzt ist, dann aber doch ein ganz alltäglichen Konflikt beschreibt, wie er in Familien, unter Freunden, unter Kollegen und Kolleginnen ganz ähnlich vorkommt. Und trotz aller Alltäglichkeit sind wir auch mittendrin in einem religiösen Spannungsfeld. Wieso geht es hier um Religion? Um Spiritualität? Um Gott? Um Glauben?

Es geht darum, was Religion eigentlich ist. In ihrer Urkraft und ihrer Urbedeutung. In dieser Zeit wächst eine Unsicherheit darüber, weil zunehmend entsetzliche Gewalt im Namen von Religion ausgeübt wird. Da nützt es auch nicht viel, gebetsmühlenartig immer wieder zu wiederholen, dass diese Gewalt eine Form von Terrorismus ist und nichts mit Religion, nichts mit dem Islam und nichts mit anderen Religionen, zu tun habe. Religion gerät hierbei in großen Teilen in Misskredit. Dabei ist sie eigentlich genau das Gegenteil: Religion ist auf eine Art dafür bestimmt, - und ist in ihrem Kern so etwas wie eine Art Lehrpfad und ein Übungsweg, das eigene Ego, nämlich den Teil in uns, der unser wahres Sein durch überzogene Selbstansprüche überlagert, klein und gefangen hält, zu entlarven und zum Einsturz zu bringen.

Warum? Weil das Ego immer im Recht sein will, weil es immer der Sieger sein will. Und weil es die Ego-Kräfte im Menschen sind, die deswegen Kriege - im Kleinen und dann auch im Großen - erst möglich machen. Weil es die Ego-Kräfte sind, die Verlierer produzieren. Weil es jene Ego-Kräfte sind, die sich von einem Mitgefühl für andere und für anderes abgeschnitten haben, und es ihnen gleichgültig ist, ob Menschen leiden oder unsere Erde ausgebeutet wird und die Natur stirbt. Weil die Ego-Kräfte nur das eigene Ich sehen und nicht den anderen, nicht die Gemeinschaft.

Ich will im Recht sein, ich will recht haben. Das Eingeständnis eines Fehlers wird als eine Demütigung erlebt, als eine Niederlage.

Dies alles ist uns nicht unbekannt. Es gehört zum Menschsein dazu. Und es ist eine der ganz großen Lernaufgaben im Leben, zu der Religionen uns an dieser Stelle anleiten.

Dem Schüler habe ich noch einmal ein paar Tage Bedenkzeit mit auf den Weg gegeben. Wohl wissend, dass es in seinem Alter eine große Herausforderung ist, sich so eine innere Niederlage einzugestehen.

Doch das Ganze dient ja nicht dazu, uns klein zu machen, und uns zu sagen, wie schlecht wir im Grunde doch sind. Es dient dazu, uns frei zu machen. Frei von fremden Bildern, von fremden Ansprüchen und von Erwartungen an uns.

Religion meint in einer ursprünglichen Bedeutung so etwas wie Rückbindung; Religion ist die Rückbindung an die Wurzeln des Seins, des Menschseins. Sie verbindet uns mit der größeren Kraft des Lebens, mit Gott selber. Und was wir im Leben und Tun von Jesus erkennen können, ist genau dieser Weg, der uns mit diesen göttlichen Teil in uns in Berührung bringt.

Und auch die Bibel spricht von Glück und von Erfüllung, die auf diesem Wege zu finden sind. Anders aber, als wir es uns vielleicht vorstellen wollen.

Nun sind ja die Dänen gerade mal wieder zu dem glücklichsten Volk der Menschen ernannt worden. Deutschland landete bei diesem "World-Happiness-Report" der UNO auf Platz 16. Immerhin deutlich besser als in den Vorjahren. Ein ausschlaggebendes Kriterium für das dänische Glücksgefühl vermutet man in dem typisch dänischen hyggelig. Was man nur schlecht und verzerrt mit Gemütlichkeit übersetzen kann. Am besten kann man dies dann doch wohl nur in Dänemark selber kennen lernen.

Die Bibel hat einen eigenen Begriff für das, was sie als Glück und glücklich beschreibt. Nämlich: selig. Die biblische Vorstellung von Glück hat etwas Verwandelndes in sich. Sie traut uns zu, schon auch ein wenig herausfordernd, anders zu reagieren, anders auf uns zu blicken. Anders auf die Menschen zu schauen, anders zu sein als das Ego. Selig heißt es in den Seligpreisungen und man kann dieses selig dann auch mit "glücklich" übersetzen:

3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. 4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. 5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. 6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. 7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. 8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. 9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen. 10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. 11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.

Was Jesus hier beschreibt, ja, das hat etwas mit Demut zu tun. Es schmeckt an mancher Stelle nach Verlieren und nach Niederlage, aber es ist ein Gewinn. Es hat etwas mit Hinnehmen zu tun, und nicht mit Kampf und Festhalten. Auch das schmerzt manchmal unserem Ego, Jesus aber verspricht einen Trost, der bleibend ist, und nicht nach kurzer Zeit wieder vergeht. Das ist der Weg, den die Bibel beschreibt. Und damit richtet sie unseren Blick nicht auf die vordergründigen Dinge dieser Welt, sondern auf Gott selber. Wie wir Gott erkennen? Genau darin, wovon Jesus in den Seligpreisungen berichtet: in der Sanftmut, in der Gerechtigkeit, im Frieden, in der Barmherzigkeit. Wenn die Seligpreisungen wirklich so etwas sind wie der Personalausweis der Christen und Christinnen, dann würde genau dies dort drin stehen.

Amen

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