2. Sonntag nach Epiphanias

2. Sonntag nach Epiphanias

2. Sonntag nach Epiphanias

# Archiv Predigten 2017

2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Gemeinde,

letzte Woche, es war schon dunkel draußen, da hörte ich beim nach Hause kommen, wie draußen ein Kind mit seiner Mutter vorbeiging und sagte: "Also bei Gott ist das ja so: Er kann alles sehen, aber er kann auch alles verstehen."

Wunderbar, dieser kleine Exkurs in die Wirklichkeit Gottes. Wunderbar, diese komplexe theologische Antwort in einem einzigen Satz. Mit welcher Zuversicht und Überzeugung gesprochen. Für dieses kleine Mädchen war ganz klar, dass Gott so ist. Und ganz klar, dass er damit ganz anders ist als wir. Dass er mehr sieht und sehen kann als wir. Eben alles, auch das verborgene, auch das, was wir verbergen, sogar das, was wir keinem zeigen wollen.

Und gleichzeitig ist sein Verstehen, sein Verständnis, seine Liebe größer als alles, was wir zustande bringen an Verstehen, an Verständnis, an Liebe.

Wir würden vermutlich länger brauchen, um unsere Antwort auf die Frage zu finden, wie es bei Gott ist. Wie Gott ist. Weil es die Frage ist, wenn es hart auf hart kommt. Und weil unsere Antworten – je älter wir werden - schon an mancher Klippe geschliffen wurden und schon durch manches Tal geformt, durch das wir mussten. Auch Mose stellt diese Frage.

Wie siehst du aus, Gott ?

Wie muss ich mir dich vorstellen ?

Ausgerechnet Mose stellt sie. Der, der mit Gott in engem Austausch ist und das doch wissen sollte, oder?! Erstaunlich eigentlich, dass das erste Testament, das so bildlich, so anschaulich, so selbstverständlich davon erzählt, dass und wie Gott mit Mose spricht, egal, wo: im brennenden Dornbusch, auf dem heiligen Berg Gottes, auf dem er ihm die Tafel  mit den 10 Gebote übergibt, in so mancher Stunde seiner Lebensreise, diese Frage festhält. Die hebräische Bibel, die so beredte Bilder von diesem Zwiegespräch malt, in dem Mose offenbar Zeit seines Lebens mit Gott gewesen ist. So selbstverständlich, so vertraut, so beständig.

Sie verschweigt nicht, wie fremd ihm dieser gleiche Gott immer wieder war, so viel größer als Mose begreifen kann, so anders als er ihn erwartet und ihn sich vorstellt. Sie wahrt das Geheimnis, das Gott ist und bleibt – trotz aller Nähe, die möglich ist - sie verzuckert nicht seine Fremdheit, kaschiert nicht, dass dass wir ihn letztlich eben nicht begreifen und eben nicht sehen können. Trotz alle dem und alle dem.

"Lass mich deine Herrlichkeit sehen", sagt Mose zu Gott. Trotz aller lebendigen Verbindung, trotz aller Zwiesprache, die Grenzen dieser Beziehung werden nicht verschwiegen. Mose kann ihn eben nicht sehen.

"Mein Angesicht kann man nicht sehen", sagt Gott zu ihm.

Was sich hier so philosophisch anhört, "wie sieht Gott aus", das war für Mose keine philosophische Frage, sondern eine existentielle. Keine, die aus intellektueller Neugier geboren war, sondern mit den Fragen seines Lebens gewachsen ist. "Wie siehst du aus, Gott?", das ist die Frage danach, wie ich dich erkennen kann, wie ich mir sicher sein kann, dass es dich gibt und dass du da bist, für mich da bist. Das ist die Frage danach, wie ich dich beweisen kann, wenn andere danach fragen, in welcher Autorität ich sage, was ich sage, mit welcher Expertise im Gepäck ich anderen etwas ausrichten soll in deinem Namen, wenn ich unterwegs bin im deinem Auftrag. Das ist auch die Frage danach, welcher Blick mich trifft, wenn du mich anschaust. Ob du mich überhaupt ansiehst, überhaupt im Blick hast. Denn manchmal kann einem das wegrutschen. Wie hier bei Mose – unterwegs mit dem Volk Israel auf dem Weg aus der Gefangenschaft Ägyptens in das verheißene gelobte Land. Nun schon so lange unterwegs in der Wüste. Das Volk am Ende, murrend, zweifelnd, anklagend. Warum sind wir nur mit dir gegangen? War doch nicht schlecht in Ägypten, besser Sklave sein als Hungers sterben. Wer bist denn du eigentlich? Wer ist denn der Gott, den du uns da vor Augen gemalt hast? Während er sich aufmacht, um mit Gott zu sprechen, werden sie unten am Berg damit beginnen, sich selber einen Gott zu machen, einen Gott zu anfassen, das Goldene Kalb.

Da hinein hören wir die Worte des Predigttextes aus dem

2. Buch Mose, Kapitel 33, 17b-23:

Der Herr sprach zu Mose: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des HERRN vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

Was für ein intimes Gespräch, welch liebevolle Zuwendung Gottes zu ihm, der so angewiesen ist darauf, dass Gott sich ihm zuwendet und ihm antwortet.

"Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden. Ich kenne dich, Mose, mit Namen! Hab keine Angst!"

Das Wichtigste zuerst. Immer. Ich kenne dich. Und ich liebe dich. Das, was einem wegrutschen kann, wenn man unterwegs ist in den Wüsten eines Lebensweges. Das, worum einem bange werden kann, wenn man so unterwegs ist und den nächsten Schritt nicht weiß. Und dann gewährt Gott ihm einen tieferen Einblick in sein Geheimnis.

Ihm und uns.

Und es wird plötzlich klar, was Hiob erfahren musste, was wir alle erfahren auf die eine oder andere Weise in unserem Leben, wenn wir Gott wirklich an uns heranlassen: Gott ist nicht piep piep piep, er spielt nicht nach der Pfeife unserer Wünsche und Vorstellungen und er passt auch nicht in das Taschenformat unserer Bilder von ihm.

Gott ist nicht handhabbar. Gott kann man nicht vorzeigen, in die Tasche stecken, nach Belieben rausholen, nicht zwingen und nicht begreifen. Dafür sind wir nicht gemacht.

Mose soll sich in eine Felsspalte bergen. Weil es gefährlich ist, Gottes Kraft und seiner Macht und dem, was die Bibel mit Herrlichkeit übersetzt, ungeschützt ausgesetzt zu sein. Weil Gott weiß, dass seine ungeschützte Präsenz über seine, über unsere Kraft hinausgeht. Dass es mehr ist als wir Menschen aushalten, verarbeiten, begreifen, erfassen können. Gott geht weit über uns hinaus, die direkte Erfahrung seiner Gegenwart überfordert alle unsere Möglichkeiten. Darum muss Gott selbst Mose schützen. Wenn er an dieser Kluft vorbeigeht, dann hält Gott selbst Mose die Augen zu, damit er nicht geblendet wird, nicht blind wird vor der Helligkeit, der Größe und Kraft, die ihm begegnet. Erst, nachdem er vorbeigegangen ist, kann Mose ihm "hinterhersehen". Erst im Nachhinein, erst im Nachlassen, im Schwächerwerden dieser Kraft kann Mose ihm hinterhersehen und etwas von ihm erkennen. Was für ein Bild. Grundsätzlich, aber auch in seinen Feinheiten.

Gott lässt sich ein auf uns, auf unsere Sehnsucht danach, ihm zu begegnen, so wie wir es uns wünschen. Er weist es nicht ab, dieses Ansinnen. Er weist uns nicht ab damit. Er gibt sich zu erkennen. Wissend, dass unsere Möglichkeiten, umfassend zu erkennen, das ganze Bild zu sehen, viel zu gering sind. Wissend, dass er selber uns schützen muss vor dem Zuviel dieser Begegnung.

Und mitten darin: wenn Gott uns am allernächsten ist, können wir ihn am allerwenigsten erkennen.

Was für ein Bild. Was für ein Hinweis auf das wirkliche Geheimnis Gottes.

Gerade dann, wenn unsere Fragen, unsere Zweifel und Ängste am größten sind, gerade dann werden uns vielleicht die Augen gehalten, stehen wir vielleicht gerade in dieser Kluft mit der beschränkten Sicht und dem verstellten Himmel, der uns trotzdem gilt. Und wir können es nicht sehen. Begreifen nicht, was geschieht. Weil wir nicht dazu in der Lage sind, das ganze Bild zu verstehen, den Rahmen groß genug zu ziehen. Das ist unsere Grenze, nicht die Grenze Gottes. Wir vertragen Gott nur dosiert, angesichts seiner Größe sind unsere Kapazitäten zu klein.

Ich denke an die Geschichte mit den Spuren im Sand. "Wo warst du, als ich dich gebraucht hätte?!" fragen wir. "Da, wo Du nur eine Spur im Sand sehen kannst, da habe ich dich getragen", sagt Gott.

Gottes Gegenwart, seine Nähe wissen tief drinnen, es dankbar begreifen, das geschieht, wenn überhaupt, dann meistens hinterher. Dann, wenn wir die vielen Puzzlesteinchen zusammensetzen und das Muster erkennen können. Wenn wir begreifen, dass wir getragen wurden, dass er seine Hand über unsere Augen gelegt hat, damit er uns nahe sein konnte, ohne uns zu versehren. Das Nichtverstehen, das Zweifeln, das Nichtwissen, es gehört dazu, wenn Gott uns begegnet. "Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden", hat Sören Kierkegaard es so treffend gesagt. Wir sehen Gott immer hinterher, wenn wir anfangen zu begreifen, wir buchstabieren meist nur stammelnd nach, was wir erfahren haben. "Gott, weil er groß ist, gibt am liebsten große Gaben. Ach, dass wir Armen nur so kleine Herzen haben", singt ein Kanon, der mir gefällt.

Sie, die Sie zum neuen Kirchengemeinderat gehören, genau so wie wir alle, die wir an Gott glauben, werden immer mal wieder von anderen gefragt werden nach unserem Glauben, danach, wie es bei Gott denn so ist? Sie, die Sie zum neuen Kirchengemeinderat gehören, genau so wie wir alle, die wir an Gott glauben, werden immer mal – wie Mose - vor Gott treten und seine Herrlichkeit sehen müssen, als Vergewisserung für uns selbst und für alle Menschen, die seine Macht und Herrlichkeit brauchen.

Vielleicht kann diese Geschichte uns Hinweis darauf sein: da, wo er uns am allernächsten ist, können wir ihn oft am allerwenigsten erkennen. Und trotzdem ist er da. Das wissen wir meist erst nachher. Erst im Nachhinein können wir die Spuren seiner Gegenwart deuten, können die Zeichen und Wundern auf unserem Weg erkennen. Wann immer uns diese Gnade geschenkt wird, wissen wir, dass es stimmt, was Gott uns zusagt: "Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen". So oft sehen wir es nicht, wenn es Zeit dafür ist, sondern erkennen es erst viel später. Dann lasst es uns nicht verschweigen, weil andere – wie wir- die Wegweiser brauchen und die Leuchtfeuer für den eigenen Weg.

Weil Kurt Marti Recht hatte als er so schön gesagt hat: "dunkel leuchtende höhle wo wir wärme suchen und zuflucht bei feuer und freunden. schöne höhle du gott in der wir immer schon gingen und wussten es nicht".

Amen.

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed