Ostersonntag: 1. Kor 5, 26

Ostersonntag: 1. Kor 5, 26

Ostersonntag: 1. Kor 5, 26

# Archiv Predigten 2016

Ostersonntag: 1. Kor 5, 26

Der Motor eines Flugzeuges fängt an zu stottern. Der Pilot entschließt sich, mit dem Rettungsfallschirm auszusteigen. Alles geht gut und er landet sicher auf einer Wiese. Er schaut sich um und sieht einen Spaziergänger auf sich zukommen. „Können Sie mir sagen, wo ich hier gelandet bin?“, fragt er. „Auf einer Wiese“, lautet die freundliche Antwort. „Sind Sie vielleicht Theologe?“ „Ja! Woher wissen Sie das?, fragt der Spaziergänger. „Weil Theologen immer eine 100% richtige Antwort haben, die aber praktisch überhaupt nicht weiterhilft!“, sagt der Pilot.

Liebe Gemeinde der Hergottsfrühe, der auch noch sommerzeitlich unglückselig verschärften Herrgottsfrühe!

Das ist die Angst des Predigers in dieser dunklen Stunde: solche Wiesenantworten auf die Frage nach der Auferstehung zu bieten, die 100% richtig sind, aber praktisch überhaupt nicht weiterhelfen. Ich hatte diese Woche an zwei Nachmittagen mit meinen Konfirmanden einen von Geburt an Blinden bei uns. Der stellte uns ein Gerät vor, das ihm die Farbe seines Pullovers ansagen konnte, wenn er das Gerät nah genug an sein Kleidungsstück hielt. „Aber“, fragte einer der Konfis schüchtern, „was hilft es Ihnen denn zu wissen, dass Ihr Pullover braun ist, wenn Sie gar nicht wissen können, wie braun aussieht?“ „Dann frage ich meine Partnerin, die Farben noch erkennen kann. Die sagt mir, welche Farbe zu welcher passt, damit ich nicht wie ein Papagei durch die Gegend laufe“, war die freundliche Antwort.

Die Bibel scheint mir wie dieses Farberkennungsgerät. Ich halte sie als Ahnungsloser und Fragender und Suchender an das Thema Tod heran und bekomme die Antwort „Auferstehung!“. Aber was soll das sein, wie soll das gehen, wie sieht das aus und wie fühlt es sich an? Und wer ist da, der mir diese Fragen beantworten könnte, der mir sagt, wozu Auferstehung passt und wozu nicht, ob sie mir steht, ob ich sie anlegen kann für mein Leben? „Auferstehung“ scheint mir zunächst die Wiesenantwort des Theologen aus dem kleinen Witz zu sein. 

An der Pforte der Dämmerung stehen wir, warten auf ein Licht, das nicht einfach angeht, sondern aufgeht, langsam und freundlich, das  Konturen zeichnet und deutlicher werden lässt, langsam und schöpferisch Farben aufscheinen lässt. Dafür haben wir heute extra eine Stunde mehr Zeit geschenkt bekommen; die erleuchteten Kirchenfenster sind jetzt noch ein Abbild für all das. Stückweise erkennen wir und bekommen eine Ahnung von Gottes Wahrheit; als Geschöpfe Gottes erleben wir die Geburt eines Tages, werden hineingenommen in das stets neue Werden der Schöpfung. Wann sollten wir besser verstehen als jetzt, was Tagore über den Glauben schrieb: „Glaube ist ein Vogel, welcher singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.“

Wir greifen vor, wir besingen, was noch aussteht, uns aber schon erfüllen will, wir glauben an eine Schönheit, die wir noch nicht sehen, die uns aber ins Herz gelegt ist. Wir sind geschaffen für das Leben, das will heute deutlich werden und was dagegen steht, das wird in seine Schranken gewiesen und soll letztlich verschwinden. Paulus schreibt an seine Gemeinde in Korinth ganz siegessicher, singend wie ein Vogel, wenn die Nacht noch dunkel ist: „Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.“

Welche Sichtweise lässt einen Menschen vom Tod als letztem Feind reden? Nüchtern betrachtet hat der Tod seinen ganz natürlichen Platz im Gefüge der Natur. Er gehört, so heißt es ja oft genug und ziemlich abgeklärt, zum Leben dazu. Das sagt sich nicht leicht, aber leichter, wenn der Tod ein langes und gut geführtes Leben endet, vielleicht auch noch, wenn er als Erlösung von einem Leben kommt, das nicht mehr zu ertragen ist. Aber diesen Part spielt der Tod eben oft nicht im Leben, und als Menschen führen wir unser Leben auch nicht nur als Kreaturen im Gefüge der Natur, sondern als liebende und hoffende, als aufeinander angewiesene und aneinander anvertraute Menschen, leben in einem Gefüge der Liebe zwischen Liebenden, Eltern und Kindern, Freunden und Freunden. Und hier ist der Tod ein Skandal, ein Schlag, der mich aus dem Gleichgewicht wirft. Leben und Tod sind von der Bibel her anders definiert als bloßes Existieren und Aus-Sein, Exitus. Der Tod ist eine in das Leben hineinragende Macht. Es ist der Tod, der in der Gefahr den Lebenden anfällt, es ist der Tod, der in der Krankheit dem Kranken die Kraft raubt. Er begegnet dem Lebenden und nimmt ihn gefangen, fesselt ihn mit seinen Stricken, den Stricken des Todes. Und auf dieser dunklen Todessicht, gewinnt das Leben sein Licht. Es ist nicht bloßes Lebendigsein, sondern heiles, freies, glückliches Leben. Im Leben ist auch der zu erfahren, der das Leben gibt, der das Leben in sich hat. Im Leben ist der zu erfahren, dessen Maß das Grenzenlose, die Weite und die Großzügigkeit letztlich: dessen Maß Liebe ohne Maß ist.

Wir feiern den Tod des Todes, weil wir einen Gott glauben, der Liebe ohne Maß und Leben ohne Schranken ist. Seine Liebe hat, so beschrieb es Luther, das Grab Jesu von innen aufgerissen.

Gottes Liebe reißt das Grab von innen auf und was dann hervorbricht, ist neues Leben – diesseits und jenseits des Todes.

Diesseits geht der Weg ins Leben zurück. Auf Altes, Alltägliches blicke ich neu. Auf Menschen, die mir Handlanger Gottes gewesen sind, die mich tragen, mich froh machen, mich bereichern und ergänzen, blicke ich neu und mit der Erkenntnis: das sind meine Handlanger Gottes zum Leben, sind Gottes Lebensgaben für mich.  Auch in ihnen erweckt Gott mich zum Leben, jeden Tag neu. Diesseits soll ich als Christ, nach Luther, zu den Protestleuten gegen den Tod gehören. Wer protestiert, findet sich nicht ab, wer protestiert hat Hoffnung, sei sie empört oder fröhlich.

Jenseits geht der Weg in neues Leben. Ein Leben, von dem wir nicht wissen, wie es aussieht. Wir haben nur Bilder der Hoffnung davon. Jesus selbst hatte Bilder vom Freudenmahl und vom großen Festmahl, von der Hochzeit – er war gewiß: das Fest des Lebens geht weiter; der Tod ist Durchgang zum Leben. Und so ist Auferstehung ein Geschehen, das einem unverwechselbaren geliebten Menschen gilt, einzigartig in seinem Leben, seinem Gelingen und Scheitern, in seinem Glück und seinem Leiden, in seinem Leben und Sterben. Gott reduziert auch im Jenseits seine Menschen nicht auf ihre Seele, ihr Gelingen oder Versagen; er will sie ganz. So wie Liebe einen Menschen ganz will. Das meinten die Alten, als sie von der „leiblichen Auferstehung“ sprachen – nicht den Körper, aber den ganzen Menschen in seiner Einzigartigkeit, seiner Geschichte, den Geliebten, die Geliebte Gottes.

Gott gibt nicht auf. Das ist das Unerhörte, das ist der Trost. Seine Liebe reißt das Grab von innen auf und trägt, schiebt, begleitet, führt, lockt zurück und voraus ins Leben, zurück und voraus ins Licht.

Das ist der Raum, den wir offen halten, mit dem Glauben an die Auferstehung. In diesem Raum erweist Gott sich letztgültig als Gott und als Liebe, die nicht aufhört.

Marie Luise Kaschnitz beschreibt das so:

Glauben Sie fragte man mich An ein Leben nach dem Tode Und ich antwortete: ja Aber dann wußte ich Keine Antwort zu geben Wie das aussehen sollte Wie ich selber Aussehen sollte Dort

Ich wußte nur eines Keine Hierarchie Von Heiligen auf goldenen Stühlen Sitzend Kein Niedersturz Verdammter Seelen Nur Nur Liebe frei gewordene Niemals aufgezehrte Mich überflutend

Aus: Marie Luise Kaschnitz, Gesammelte Werke in 7 Bänden, Frankfurt am Main: Insel 1981 ff., 5. Band, Seite 504 f.

Passt das? Zu eng ist es mir jedenfalls nicht.

Und beten kann ich mit Worten aus Psalm 31:

Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, dass du mein Elend ansiehst und nimmst dich meiner an in Not und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes; du stellst meine Füße auf weiten Raum. Ich aber, HERR, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen.

Übrigens: Ein Muslim kommt in den Himmel. Ein Engel führt ihn herum. Überall Freude und Glück. Sie kommen zu einer hohen Mauer. „Pst“ sagt der Engel, „hier musst du leise sein. Hinter der Mauer sind die Christen und die meinen, sie wären ganz allein hier...“

Frohe Ostern, liebe Schwestern und Brüder!

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