02/07/2024 0 Kommentare
Jubilate: Johannes 15, 1-8
Jubilate: Johannes 15, 1-8
# Archiv Predigten 2015
Jubilate: Johannes 15, 1-8
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde!
Noch einmal dieses Jubilate aus Psalm 66 her. Da heißt es:
„Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke! … Kommt her, höret zu, alle, die ihr Gott fürchtet; ich will erzählen, was er an mir getan hat.“
Wüssten Sie, wüsstet Ihr, zu erzählen, was Gott an Ihnen und Euch getan hat? Und würden wir gemeinsam den Mut haben, das einander auch zu erzählen und auch so zu erzählen, dass unsere Zuhörer uns nicht angucken, als seien wir nicht mehr ganz von dieser Welt, sondern ergriffen sind und sich innerlich ausgerichtet sehen auf Jubel hin?
Das ist ja nicht nur eine Aufgabe des Predigers, die er so dann und wann zu erfüllen sucht, meist mit mäßigem Erfolg.
Das ist die Einladung, die nach dem Psalm ein jüdischer Mensch und dann auch ein christlicher auszusprechen hat: „Kommt her, höret zu, alle, die ihr Gott fürchtet; ich will erzählen, was er an mir getan hat.“
Drei stillschweigende Voraussetzungen trifft dieser Sonntag Jubilate mit seinem Bezug auf Psalm 66:
- Gott wirkt am und im Menschen.
- Sein Wirken lässt sich in Worte fassen und weitergeben.
- Die Erzählungen von Gottes Wirken bewirken eine positive Resonanz bei den Hörern.
Aber manchmal scheint es mir eher, als hätten wir andere stillschweigende Voraussetzungen des Glaubens:
- Gott weist irgendwie als irgendeine Kraft an.
- Darüber spricht man aber nicht.
- Auswirkungen auf andere Menschen hat das auch nicht.
Ist natürlich übertrieben. Es gibt schöne Zeichen des Gelingens, es gibt Menschen, die sich eingeladen fühlen. Sonst hätten wir heute keine Taufen feiern können. Immer noch können wir in der Nachfolge Jesu eine Botschaft vermitteln, die eine frohe und freimachende ist.
Der Evangelist Johannes hat Jesu Botschaft so wahrgenommen:
Gott arbeitet an den Menschen, müht sich ab, pflegt und kümmert sich und – das wäre allerdings ein Jubilate weniger! – er sortiert aus und verwirft.
Er ist wie ein Weingärtner. Und dann setzt der johanneische Jesus dieses Bild fort und spricht von sich als dem wahren Weinstock und von seinen Jüngern als den Reben. Für die Jünger ein schönes Bild; für die jüdischen Gemeinden um die johanneischen herum ein Affront. Denn Israel galt als der Weinstock Gottes und soll nun der falsche sein. Abgelöst soll es nun sein vom wahren Weinstock, verworfen. Noch ein Jubilate weniger.
Das Bild vom Weinstock und den Reben klingt schön in dieser engen natürlichen Verbindung, klingt nach Harmonie und Idylle. Aber wie bei jedem Bild aus der Natur oder der Landwirtschaft verbietet sich jegliche Romantik.
Es geht um die harte Arbeit Gottes, ums Fruchtbringen und um diese verkümmerten Reben, die ohne Frucht, verdorrt sind und verbrannt werden. „Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen.“ Kein schönes Bild, eher unverhohlene Drohung.
Wie passt das zusammen mit dem Mann aus Nazareth, dessen Zuwendung doch gerade denen galt, die in den Augen anderer wie verdorrte eben Reben auf dem Boden lagen und weg gehörten? Wie passt das zu dem Juden Jesus“
Bin ich denn tatsächlich nichts mehr, wertlos, wenn ich meine Bindung an Jesus verliere? Muss Gott mich dann beiseite schaffen?
Nun kann ja der Schöpfergott, der die Menschen so kunstvoll bereitet hat, sie begabt und in die Freiheit gestellt hat, dieses ihr Leben zu führen, doch kein anderer sein als der Gott, der über Jesus an den Menschen handelt.
Und so behält, das ist mein Glaube, ein jeder Mensch seinen einzigartigen Wert vor Gott – auch und gerade, wenn er oder sie völlig bindungs- und haltlos am Boden liegt. Und so kann auch ein Volk, das sich so eng gebunden sah an seinen Gott nicht plötzlich verworfen sein. Gerade der Anfang des Johannesevangelium weist in eine ganz andere Richtung, die es mitzuhören und mitzubedenken gilt:
»Im Anfang war das Wort
und das Wort war bei Gott
und das Wort war Gott.
Alles ist durch das Wort geworden,
und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.«
Und ich höre und lerne: wenn alles geworden ist durch Gottes Wort, die gesamte Schöpfung, das Werden der Vielfalt, die Geschichte, dann sind ja auch die Religionen nicht zu verstehen ohne das Wort Gottes; dann ist es auch in ihnen präsent, gegenwärtig, genauso wahrgenommen oder überhört wie bei uns. Dann haben alle Menschen Anteil an seinem Wort, dann ist ihr Lieben, Hoffen und Glauben in seiner ganzen Unterschiedlichkeit und Buntheit von ihm her. Für uns Christen haben wir es durch Jesus, andere haben es durch andere Offenbarungen, durch Versenkung, durch Meditation. Überall Spuren seines Wortes, überall Licht von seinem Licht. Ein grenzenloser Reichtum, eine überbordende Quelle von Glaube, Liebe und Hoffnung. Wir denken zu kurz, zu dürftig, wenn wir Gottes Wort auf uns beschränken; es geht über das real existierende Christen- und Kirchentum hinaus, kennt keine Grenzen. Und wo ich Gottes Wort suche und wahrnehme auch bei den anderen, da nehme ich teil an seiner Präsenz, an seiner Fülle. Dieses Wort Gottes, ohne das nichts wurde, was geworden ist, wahrzunehmen in der Vielfalt der Religionen und Kulturen scheint mir eine Christenpflicht. Denn nur so nehme ich es ernst.
Damit hat sich aber noch nicht die Frage erübrigt, was ich denn wäre ohne die Bindung an Jesus. Und davor liegt ja noch die Frage, ob ich mich denn in einer derartigen Abhängigkeit zu Jesus sehe, wie sie das Bild von Weinstock und Rebe vorstellt.
„Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“
Und ich blicke auf unseren Ort hier und sehe viele Menschen, die viel tun, die sich mit viel Zeit und Mühe einsetzen für andere, ganz konkret und handfest oder über die vielen Gremien und Vereine.
Und von vielen weiß ich, dass sie es aus sich selbst und nicht aus ihrem Glauben heraus tun. Und sie bringen viel Frucht. Sie beziehen von woanders her ihre Überzeugung und ihre Kraft. Das gilt es zu respektieren und anzuerkennen.
Und auch von mir selbst kann ich sagen, dass ich viel Kraft ziehe aus der Liebe und Freundschaft anderer, aus der Freude an der Natur, an Menschen und Tieren.
Es ist nicht so, dass ich allein aus meinem Glauben Kraft beziehe, und ich habe mich abhängig gemacht in meinem Dasein auch von anderen Menschen und Mächten, nicht allein von Jesus.
Das zu anerkennen, ist auch der erste Schritt zu erkennen, was mein Leben bereichert oder arm, armselig auch, macht, was Grund ist zum Jubeln oder zur Trauer und Scham.
Was aber bedeutet mir die Bindung an Jesus?
Sie bedeutet eine ganz eigene Erkenntnis Gottes und dann Glaube an und Vertrauen auf Gott. Es sind die Botschaft und das Leben des Mannes aus Nazareth, die mir Gott glaub-würdig gemacht haben.
Und über oder durch ihn erkenne ich Gott als den, der mich berührt und bewegt. Einen Gott der Lebenden und nicht der Toten, einen Gott, der nicht alle mein Wünsche erfüllt, aber alle sein Verheißungen – um noch einmal an die Taufsprüche Dawoods und Ghassems zu erinnern. Über ihn erkenne ich einen Tag als den Tag, den der Herr gemacht hat, über ihn werden mir Menschen zu Engeln und Fremde zu Nächsten.
Über den Weinstock erkenne ich Gott als Weingärtner, der sich kümmert und arbeitet, sorgsam und behutsam, mit einer Freude an jeder einzelnen Frucht.
Und ein letztes: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“
Über ihn ist Glaube immer und zugleich Handeln. Es kann nicht angehen, dass der Glaube an Gott, den Weingärtner, über den Weinstock Jesus ohne Frucht bleibt.
Es kann nicht angehen, dass ich an Wein glaube und Wasser verteile.
Es muss so sein, dass die Menschen durch einen jeden von uns auf die Frage gestoßen werden: Wo ist eigentlich das – unser - Jubilate geblieben?
„Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke! Lasst seinen Ruhm weit erschallen, der unsre Seelen am Leben erhält und lässt unsere Füße nicht gleiten. Kommt her, höret zu, alle, die ihr Gott fürchtet; ich will erzählen, was er an mir getan hat.“
Kommentare