Sexagesimae - Hebräer 4, 12-13

Sexagesimae - Hebräer 4, 12-13

Sexagesimae - Hebräer 4, 12-13

# Archiv Predigten 2015

Sexagesimae - Hebräer 4, 12-13

Liebe Gemeinde,

nun haben wir also auch einen – einen sogenannten Hassprediger. Ist es also an der Zeit, die Kirchen vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen? Immerhin ist ja ihre Urkunde, die Bibel, wohl kaum mit dem Grundgesetz vereinbar, es findet sich dort der Satz „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5, 29), von Jesus heißt es: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Mt 10, 34). In den Gottesdiensten der Christen wird „von den scharf geschliffenen Waffen der ersten Christenheit“ gesungen und diese werden herbeigewünscht (EG 136,2). Schließlich soll heute noch vom Wort Gottes die Rede sein, das schärfer sei als jedes zweischneidige Schwert. Stichworte, die für eine Vorratsdatenspeicherung hinreichend sein dürften.

Nun, der sogenannte Hassprediger hat in Bremen eine viel umstrittene Predigt gehalten, sie ist auf der der Internetseite seiner Gemeinde zu hören. Und auch das muss gesagt werden: er hat sich entschuldigt – ich hoffe, er hat um Entschuldigung gebeten – für die Beleidigungen, die er aussprach: das Zuckerfest der Muslime sei „Blödsinn“, Buddha sei ein „fetter, alter Herr“ und die  Reliquien der katholischen Kirche seien „Dreck“. Genau das hat er gesagt, ich habe es mir angehört. Es ist nicht aus dem Zusammenhang herausgerissen, sondern entspricht der inneren Logik des Zusammenhangs. Und wer weiß schon, was nicht sonst alles an Abfälligem über andere Religionen in unseren Kirchen gesagt wird.

 

Solcherlei Ausfälle können auf fruchtbaren Boden fallen – sie können auch vergeben werden, natürlich nur von den Beleidigten und nicht von nachsichtigen Christen. Er predigte auch nicht Hass, sondern sagte deutlich, dass wir ja zu sagen hätten zu Menschen anderen Glaubens, ihnen in Liebe zu begegnen hätten. Denn Gott selbst unterscheide ja auch zwischen Sünde und Sünder: Die Sünde verabscheue er, den Sünder aber liebe er doch. Deshalb sei nun auch Nein zu sagen zu jedem anderen Glauben, so auch zum Islam als falscher Lehre, die nicht zu Deutschland gehöre. Wir hören: er macht jeden anderen Glauben damit zu einer Sünde. Und diesen Schnitt zu machen, Nein zu sagen zum Islam, das fordere nicht er, sondern dass fordere Gott. „Ich sage nur, was in der Bibel steht“, spricht er am Anfang, nachdem er darum gebeten hatte, dass durch seine Predigt Gott zur Gemeinde spräche.

Dabei wird er sich auch auf ein „Wort Gottes“ berufen können, denn bei Jesaja heißt es: „Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt“ (Jes 51, 16a). Und so gibt es denn Leute, die sich als ein wahres Medium von Gottes Wort verstehen.

 

Es geht um das Wort Gottes. Wo steht es? Wo höre ich es? Wer entscheidet, was Wort Gottes ist und was nicht? Und seit wann redet Gott eigentlich?

Ist die Bibel Wort Gottes? Nein. Sind es als Wort Gottes gekennzeichnete Verse? Nein. Sind es die Worte Jesu? Nein. Bei alldem handelt es sich um Menschenwort. Die biblischen Verfasser haben es nämlich andersherum gemacht als wir es eben von Gott angeblich hörten: Sie haben ihre Worte in Gottes oder in Jesu Mund gelegt. Sie taten es im guten Glauben, dem, was sie von Gott und Jesus wahrgenommen hatten, gerecht zu werden – oder zumindest nahe zu kommen. Wir reden von Wahrnehmung und nicht von Wahrheit, wir hören biblische Schriftsteller und nicht Gott oder Jesus. Und wer immer meint, nur das zu sagen, was in der Bibel steht, und es dann auch noch eins zu eins auf die Gegenwart beziehen zu können, liegt grundsätzlich falsch. Fundamentalismus ist falsch und gebiert Hass, von dem er sich selbst noch distanziert.

 

Im Internet kursiert der Brief eines Mannes an Dr. Laura, die aus fundamentalistischer Sicht Lebensratschläge an ihre Radiozuhörer gibt:

„Offener Brief eines US-Bürgers an Dr. Laura Liebe Dr. Laura vielen Dank, dass Sie sich so aufopfernd bemühen, den Menschen die Gesetze Gottes näher zu bringen. Ich habe einiges durch Ihre Sendung gelernt und versuche das Wissen mit so vielen anderen wie nur möglich zu teilen. Wenn etwa jemand versucht seinen homosexuellen Lebenswandel zu verteidigen, erinnere ich ihn einfach an das Buch 3. Mose, Leviticus 18:22, wo klargestellt wird, dass es sich dabei um ein Greuel handelt. Ende der Debatte. Ich benötige allerdings ein paar Ratschläge von Ihnen im Hinblick auf einige der speziellen Gesetze und wie sie zu befolgen sind.

  1. Ich würde gerne meine Tochter in die      Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus      21:7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein      angemessener Preis für sie?
  2. Lev.      25:44 stellt fest, dass ich Sklaven besitzen darf, sowohl      männliche als auch weibliche, wenn ich sie von benachbarten Nationen      erwerbe. Einer meiner Freunde meint, dass würde auf Mexikaner zutreffen,      aber nicht auf Kanadier. Können Sie das klären? Warum darf ich keine      Kanadier besitzen?
  3. Die meisten meiner männlichen Freunde lassen      sich ihre Haupt- und Barthaare schneiden, inklusive der Haare ihrer      Schläfen, obwohl das eindeutig durch Lev.      19:27 verboten wird. Wie sollen sie sterben? …

Ich weiß, dass Sie sich mit diesen Dingen ausführlich beschäftigt haben, daher bin ich auch zuversichtlich, das Sie uns behilflich sein können. Und vielen Dank nochmals dafür, dass Sie uns daran erinnern, dass Gottes Wort ewig und unabänderlich ist.

Ihr ergebener Jünger und bewundernder Fan“

Wir sind geneigt zu lachen. Und doch ist es eine ernste Sache. Der Hebräerbrief wird deutlich:

Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.

 

Das Bild ist düster und erschreckend. Wer sollte ein solches „Wort Gottes“ – fortan steht es in Anführungszeichen -  hören wollen? Selbst wenn gemeint ist, dass „Gottes Wort“ den ganzen Menschen trifft, tatsächlich bis hin ins Körperliche und den Fragen nach Achtsamkeit im Umgang mit mir selbst und anderen, selbst dann bleibt das Bild eines einen Menschen zerteilenden, zerstückelnden, entblößenden Wortes.

 

Dass Gottes Wort mich in Frage stellt, manchmal auch schmerzhaft – keine Frage. Ich spüre meine Lieblosigkeit, meine Skrupel- und Gewissenlosigkeit. Aber es heilt doch auch und richtet auf, es tröstet und gibt Zuversicht. Wenn ich sage, es gäbe „Gottes Wort“, dann kann ich nicht sagen, dass ich es gehört hätte – wer Ohren hat zu hören, der höre! – sondern dann erlebe ich einen Gott in Beziehung, der nahe ist, der sich mitteilt – so wie ein Wort Nähe herstellt, Beziehung schafft, tröstet, aufrichtet.

Obwohl also oft als biblische Worte gekleidet, sind „Gottes Worte“ nicht identisch mit Worten aus der Bibel. „Gottes Wort“ lässt Leben erkennen und schätzen, es vermittelt Sinn, ist schön. Als solches braucht es ein offenes Herz, in das es hineinfallen und darin aufgehen kann. So steht es hinter konkreten Wörtern und ihrem Inhalt; und ist doch daran gebunden. Und im Hören dieser Wörter kann es sich ereignen. Neben der Musik, dem Gesang, scheinen mir viele Wörter der Bibel, in ihrer ganz eigenen Sprache und Melodie, besonders geeignete Vehikel der „Worte Gottes“ zu sein.

 

Kollege Pagallo hat das „Wort Gottes“ und unsere Partnerschaft in Verbindung gebracht. Er schreibt: „Das Wort Gottes ist sehr wichtig für uns als Partner. Gäbe es das Wort Gottes nicht, gäbe es auch keine Partner unserer Liebe, die gegründet ist in Gottes Wort. Es gibt uns die Kraft für unsere Partnerschaft, hilft uns in Zeiten des Zweifels durchzustehen, die richtigen Entscheidungen in unserer Partnerschaft zu treffen. Normalerweise ist Liebe ein einfaches Wort, aber in Gottes Gedanken soll Liebe in allem sein, was wir denken oder tun – in jeder Hinsicht. Durch sein Wort ist wirklich erst all das möglich.“ Durch seine Worte ist mir dieser Mann heute wieder sehr nahe gekommen.

 

Wo ein Wort Gottes „Wort“ zu sein beansprucht, hat es befreiende, wegweisende Kraft, sonst ist es nicht Gottes Wort. Wort und Wirkung sind eins bei diesem Wort. Deshalb sind Glaube und Tat auch eins.

Wenn Gott Liebe ist, kann hinter seinem Wort nur Liebe stehen. Und wir sind befreit, nichts Liebloses über Gott zu denken oder zu sagen – erst recht nicht in unseren Gottesdiensten.

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